Mittwoch,
9.8.
Dieser Tag beginnt etwas später wie sonst und in allen Gesichtern zeichnen sich deutliche Spuren der Veranstaltung vom Vorabend ab. Nach Frühstück und obligatorischen Fahrzeug-Service planen wir die heutige Katastrophe – wobei Rappel Anweisungen von nebenan aus seinem Bett macht. Es wird Mittag, bis die Mopeds gezündet werden.
Wir wollen in diesem Reisebericht nicht versäumen darauf hinzuweisen, dass ich der Rumäne wohl für den weltbesten Autofahrer überhaupt hält. Nein, er hat überhaupt keine Sorgen, wenn er mit seinem Dacia (der auf Grund seines katastrophalen technischen Zustandes rein physikalisch gar nicht mehr fahren dürfte) nach dem Motto „...alles was drin ist, Eddie“ (Zitat „Das Boot“) über die Straßen brettert und vollcrossbereifte Enduristen schneidet wo er kann. Dies scheint auch ein besonderes Hobby der rumänischen LKW- und Kleintransporter-Fahrer zu sein. Wahrscheinlich gibt’s pro abgedrängten Enduristen zur Erinnerung eine Kerbe in den Schaltknauf.
Wir freuen uns jedes Mal, wenn wir die „Rennbahn für weltbeste Autofahrer“ (E70) verlassen können, um unseren Weg im Hinterland zu suchen. So kommen wir dann auch nach Zlagna wo uns die Familie Petru freundlich begrüßt. Ein hübsche Kirche steht genau gegenüber – „keine Zeit Männer! Wir fahren ´ne Rallye!“.
Die Tochter von Herrn Petru spricht deutsch, was einen kleinen Plausch ermöglicht – natürlich nur kurz. Wir lassen uns diesen Kontrollpunkt per Stempel von Petru bestätigen, fragen nach dem Weg zur Turmruine „Turun“ und schon geht's weiter.
Im Hintergrund Familie Petru
Am Ortsausgang erklimmen wir einen toll ansteigenden Pfad, der zu einem Bolzplatz führt. Diesen links liegen gelassen und einige Schlammsuhlen weiter, stehen wir plötzlich auf einem almartigen Plateau, wo eine Rinderherde in der ferne grast – wunderschön!
Von hier aus erkennen wir bereits die Turmruine in der Ferne. Am Fuße des Berges zur Ruine fragt Roger wild tobende Kinder nach dem Aufstieg zur Ruine. Doch die Kinder kaspern so wild durcheinander, dass ein Gespräch unmöglich ist. Havoc kommentierte: „Die haben wohl Kleber geschnüffelt, was!?“. Der freundliche Wärter vom Wasserwerk erklärt uns dann den Weg. Die letzten Meter zur Ruine führen über einen sau steilen Trampelpfad, den man selbst zu Fuß nur mit alpiner Wandererfahrung begehen sollte. Trotzdem knerbelt Rappel die TT den Pfad hoch, zündet am steilsten Teilstück den Nachbrenner und wäre im freien Flug beinahe in die Mauer der Turmruine geplatzt.
Der Rest der Truppe parkt weiter unten die Mopeds. Doch Shorty gönnt wohl dem Rappel das alleinige Privileg nicht. Nachdem Shorty zu Fuß den Pfad erklomm sagt er oben angekommen: „Das ist doch ein Kirschchen!“. Und schon ist er wieder herunter gesaust, um seine XR anzudappeln. Besorgte Blicke und die Video-Kamera von Rappel verfolgen nun Shorty´s spektakuläre Auffahrt. Mit Bravour nimmt Shorty die erste Anstiegswelle. Doch den zweiten, viel steileren Teil fährt er recht zögerlich an: war Angst im Spiel? Am Point of no Return erkennt Shorty, das er viel zu langsam unterwegs ist und dass nur noch eine Vollgasetappe im kleinen Gang erfolgsversprechend sein kann. Doch Shorty gibt seinem Gaul etwas hart die Sporen, denn die XR macht brav Männchen und wirft den Reiter rücklings ab. Das Bergungsteam erkennt den Ernst der Lage und ist sogleich zur Stelle.
Den Kontrollpunkt am Fuße der Ruine noch schnell abgenommen, fahren wir weiter und kommen in das Zigeuner-Dorf Borlova. Griesgrämig schauen die Dorfbewohner mit verschmutzten Gesichtern drein. Das Dorf ist komplett heruntergekommen und verdreckt. Hier wollen wir keinen Halt machen. Im Ort fahren wir rechts einen steilen Weg hinauf, der wohl einst im Mittelpaläolithikum von Neandertalern gepflastert wurde. Die Via-Appia in Rom ist im Vergleich eine geradezu meisterliche Straßenbau-Leistung. Auf einer Apfelbaumwiese verschnaufen wir kurz, da der Aufstieg über diesen Weg, der dann – oh Wunder – in einem grandiosem Schlickweg endete, ganz schön zehrte. Die Mopeds sind kaum abgestellt, da kam auch schon ein Mann mit einer Axt bewaffnet angehirscht. Wild gestikulierend gibt er uns zu verstehen, dass wir seine Wiese nicht befahren sollen. Also tauchten wir wieder in den Schlick ein und graben uns im Gänsemarsch Zentimeter für Zentimeter weiter.
Blöderweise endet der Weg im Nirwana und so müssen wir zurück. Havocs Kati meint zwischendurch immer wieder mal sich durch kochendes Kühlwasser bemerkbar zu machen. Unsere geliebte Schnellstraße E70 mit den weltbesten Autofahrern führt uns dann schnell zurück nach Slatina Timis. Unterwegs grüßen uns unsere bekannten Straßenbauarbeiter überschwänglich, indem sie mit allen Baugeräten hupen und fröhlich winken. Da fällt uns Havocs Kommentar vom Vormittag wieder ein „Die haben wohl Kleber geschnüffelt“. In Slatina Timis angekommen müssen wir nun nur noch unseren „geliebten“ und total zerstörten Pass nach Brebu Nou angehen. Abermals sehen wir im Pass neben der Straße starken Rauch aufsteigen. Morgen wollen wir der Sache auf den Grund gehen und nachsehen, was da schon seit Tagen vor sich hin brennt. Zurück in der Pension wechseln wir noch schnell die Kupplung der Kati und widmen uns dann zum zweiten Mal Shorty´s Geburtstagsparty.
Gabentisch um 0:01 Uhr